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Sie wurde als Laichräuberin verunglimpft und so von der Jägerin zu Gejagten. Nun aber gilt die Aalrutte als schützenswerter Fisch. Andreas Zachbauer beschreibt eine mystisch verklärte und wunderschön gezeichnete Bewohnerin unserer Gewässer und erklärt, wie man sie verantwortungsbewusst fängt.
Es ist bitterkalt, Sturmböen fegen die großen Schneeflocken waagrecht gegen das Fenster. Vernünftige Menschen sitzen jetzt zu Hause vorm Kamin und beobachten das Treiben bei einer Tasse Tee. Tee trinke ich auch, allerdings aus der Outdoor- Flasche, denn ich sitze im Auto und bin auf dem Weg zur Donau. Gerade rechtzeitig zur Dämmerung komme ich an, baue mein Gerät auf und ködere saftige Tauwürmer an. Die Wurmbox verschwindet in der warmen Innentasche meiner Jacke. Eine Montage platziere ich genau an der Stömungskante, die zweite landet nur wenige Meter entfernt am Fuße der Steinschüttung. Hochkonzentriert beobachte ich die beiden vom Wind gepeitschten Knicklichter an den Rutenspitzen, um auch den kleinsten Zupfer erkennen zu können. Da ist schon einer. Wie ferngesteuert reiße ich die Rute nach oben und komme erst zu mir, als ich einen guten Fisch davon abzuhalten versuche, sich am Grund festzusetzen. Der Drill gelingt, und ich stolpere, nur vom Schein meiner Stirnlampe unterstützt, über die eisigen Steine, um den Fisch zu keschern. Eine wunderschön gezeichnete Aalrutte liegt zu meinen Füßen – die erste in diesem Jahr. Zufrieden schenke ich mir eine Tasse heißen Tees ein, doch bevor ich den ersten Schluck machen kann, zittert auch das andere Knicklicht, und das Spiel beginnt erneut. So wünscht man sich den Aalruttenansitz, doch das war nicht immer so. Viele Jahrzehnte galt die Aalrutte als schlimmster Laichräuber unserer Gewässer. Laut Überlieferungen wurden ganze Forellenpopulationen nach ihrem Einfall ausgelöscht. Vor allem sensible Gewässersysteme wie Gebirgsflüsse kamen aus dem Gleichgewicht, weil die unerbittliche Räuberin alles auffraß, was ihr in die Quere kam. Die Aalrutte, der einzige in Österreich heimische dorschartige Fisch, ist in vielen europäischen Gewässern zu Hause; sie wird auch Süßwasserdorsch, Quappe, Aalquappe, Trüsche, Treische, Aalraupe oder Ruppe genannt. Auf englisch heißt sie Burbot, auf französisch Lotte, auf tschechisch Mnik, auf ungarisch Menyhal und im Lateinischen Lota Lota. Schon der bekannte Ichthyologe Marcus Élieser Bloch schrieb 1780: „Vorne gleicht sie einem Frosch und hinten einem Aal.“ So könnte sich der uns geläufige Name Aalrutte zusammensetzen, aus dem lateinischen Wort für Kröte „Rubeta“, das sich im Laufe der Jahrhunderte zur Rutte entwickelte, und eben dem Aal. Aber egal, wie man sie nennt – sie wurde von der Jägerin zur Gejagten. Auf Schonzeiten und Mindestmaße wurde rigoros verzichtet, es galt, die unerwünschten Eindringlinge – obwohl heimischer als so manche Regenbogenforelle – schnellstmöglich aus den betroffenen Gewässern zu vertreiben. Ein einzigartiger Schlag gegen die Aalrutte gelang schließlich, als die ersten österreichischen Wasserkraftwerke gebaut wurden.
Grundel-Killer.
Spätestens aber seit ihrer Kür zum „Fisch des Jahres 2002“ hat ein Umdenken stattgefunden. Diese Nominierungen erfolgen nach strengen Richtlinien und wurden von ihrer Geburtsstunde im Jahre 1984 an bis zum Jahr 1990 von der sogenannten „Petri Stiftung“ festgelegt. Seit 1991 kürt der „Verband Deutscher Sportfischer e.V.“ (VDSF) den Fisch des Jahres mit folgendem Grundsatz: „Die Auswahl erfolgt nach der Gefährdung aufgrund schädigender Einflüsse des Menschen auf den Lebensraum des Fisches.“ Die Aalrutte ist nun also offiziell gefährdet. Es wurden seither fast flächendeckend sinnvolle Schonzeiten und Mindestmaße eingeführt. Da nicht alle Aalrutten gleichzeitig in den Laichgebieten ankommen, beginnt die Schonzeit im Idealfall bereits im Dezember und endet erst Ende Februar. Das Mindestmaß liegt in den meisten Revieren bei 35 Zentimetern; meiner Meinung nach könnte dieses jedoch um zehn Zentimeter angehoben werden. In manchen Regionen wurden sogar Ruttenprogramme ins Leben gerufen und es gibt eigene Zuchtanstalten. Der VÖAFV zum Beispiel besetzt neuerdings Aalrutten in der Donau und im Donaukanal und sorgt mit strengen Regelungen dafür, dass sich die Fische in aller Ruhe ihrer Vermehrung widmen können. Ein weiterer Grund für den Besatz: Aalrutten kümmern sich räuberisch in positivem Sinne um die lästige und ökologisch zunehmend bedenkliche Bioinvasion der Schwarzmeergrundeln. Für Fischer in ganz Europa – die Vielfalt der Namen lässt es bereits vermuten – ist die Aalrutte ein beliebter Zielfisch. Sie kommt auch im Brackwasser vor, bevorzugt aber eher kühles Wasser in Bächen, Flüssen und tiefen Seen. In Nordeuropa wurden nachweislich Exemplare mit bis zu eineinhalb Metern Länge und 34 Kilo gefangen; der Durchschnittsfisch in unseren Breiten ist zwischen 40 und 50 Zentimeter lang. In den ersten Jahren ihres Lebens bis zur Laichreife ernährt sich die Aalrutte vor allem von grundnahe lebenden wirbellosen Tieren. Je größer sie wird, desto mehr Geschmack findet sie an Kleinfischen aller Art. Außer bei stark getrübtem Wasser findet die Jagd vor allem in den Abend- und Nachtstunden statt, tagsüber wird in sicheren Verstecken ausgeharrt und verdaut. Der gesteigerte Appetit im Winter ist es, der die Aalrutte so speziell macht. Ihr ausgeprägter Instinkt, große Laichwanderungen stromauf bis in die Quellbäche zu unternehmen, erschwert es der Aalrutte heutzutage, sich fortzupflanzen, obwohl die Millionen von Ruttenbrütlingen Jahrtausende lang als wichtige Nahrung für Jungforellen dienten – da soll noch einmal einer sagen, die Rutte dezimiere Forellenbestände. Haben die Laichfische jedoch ihre bevorzugten Laichplätze auf Sandund Schottergrund erreicht, bilden sie, sobald es dunkel wird, regelrechte Ruttenknäuel und geben sich rudelweise der Liebe hin. Was viele Angler an kalten Winterabenden ans Wasser lockt, ist das aromatische und zarte Fleisch der Aalrutte. Schon zu Zeiten Cäsars war auch die fettreiche Ruttenleber als Delikatesse weithin bekannt. Dennoch sollte auch in den Köpfen der Angler ein Umdenken stattfinden und nicht jeder gefangenen Aalrutte der Garaus gemacht werden. Gerade im November und Dezember hat man es, wo das Angeln auf diesen Fisch noch erlaubt ist, mit laichschweren Fischen zu tun, die wichtig für die Erhaltung der Art sind. Es darf also auch gerne zurückgesetzt werden, sollte ein Fisch den Köder nicht zu tief geschluckt haben – was uns zur richtigen Montage führt. Eine gute Aalruttenmontage ist einfach und stabil. Dennoch oder gerade deshalb sollte bei Kleinteilen wie Karabinerwirbeln und Haken nicht gespart werden. Ich verwende generell Wurmhaken in den Größen vier bis sechs und kurze Vorfächer mit 30 bis 50 Zentimetern Länge. So kann ich den Biss schon sehr bald erkennen und den Haken später leicht lösen. Es empfiehlt sich generell, mit dem Anschlag nicht lange zu warten, sondern schon beim kleinsten Zupfer zu reagieren. Sollte man eine Aalrutte durch Abriss verlieren, macht es sich in diesem Fall bezahlt, nicht rostfreie Haken zu verwenden. Die aggressiven Verdauungssäfte lösen den Haken relativ schnell auf, das Tier hat gute Überlebenschancen.
Die Ausrüstung.
Um Schnurbrüche aber von Vornherein zu vermeiden, haben meine monofilen Hauptschnüre Durchmesser von 0,35 und die Vorfächer 0,30 Millimeter. Je nach Strömungsdruck kommen Birnenbleie von 20 bis 200 Gramm zum Einsatz und werden als letzte Absicherung mit einer 0,25 Millimeter starken monofilen Reißleine am Anti-Tangle-Boom (Schnurlaufröhrchen) befestigt. Auch wenn sich das Blei einmal zwischen den Steinen verklemmt oder die Aalrutte die Montage in ihren Unterstand verschleppt hat, kann ich so die Reißleine brechen und den Fisch trotzdem ans Ufer drillen. An das sonstige Gerät werden beim Ruttenfischen in der Regel keine allzu großen Anforderungen gestellt. Natürlich bedarf es einer Rolle mit zuverlässiger Bremse und genügend Schnurfassung – 100 Meter 0,35er Mono sollten da schon Platz finden, und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt sollten ihr nichts anhaben. Als Ruten reichen starke Teleskopstangen mit zirka 100 Gramm Wurfgewicht. Natürlich gibt es aber auch hier (wie überall bei der Angelfischerei) gewisse Feinheiten, die mir im Laufe der Jahre den einen oder anderen schönen Fisch beschert haben. Es gibt zum Beispiel Tage, an denen die Aalrutten nicht wie sonst jeden erdenklichen Köder inhalieren, sondern ganz vorsichtig und spitz beißen. Manchmal merkt man sogar erst beim Einholen, dass bereits ein Fisch an der Angel hängt, weil dieser nach dem Biss einfach stehengeblieben ist. Aus diesem Grund verwende ich ausschließlich mittelschwere bis schwere Feederruten, deren feine Spitzen mir auch eine sensiblen Biss anzeigen. Meine Rollen haben, wie beim Feedern üblich, große Spulendurchmesser und eine hohe Übersetzung. So kann ich die Montage beim Einholen sehr schnell vom Grund heben und muss mir auch bei steilen Unterwasserkanten keine Sorgen machen hängenzubleiben. Abgelegt werden die Ruten auf einem sogenannten Sky-Pod, einem stabilen Dreibein, das es ermöglicht, die Ruten sehr steil aufzustellen, um bei starker Strömung möglichst viel Schnur aus dem Wasser zu halten. Die Betonung liegt übrigens auf stabil. Denn manch große Aalrutte läuft beim Biss wie ein Karpfen und ist in der Lage, die komplette Ausrüstung ins Wasser zu befördern. Große Aalrutten sind übrigens starke Kämpfer, die aufgrund ihrer speziellen Körperform jede Menge Druck unter Wasser aufbauen können. Ich drille meine Fische hart und versuche, sie sofort ins Freiwasser zu bugsieren. Nach dem frühen Anschlag gebe ich kaum Schnur, damit der Fisch keine Chance hat, sich irgendwo in der Steinpackung oder im Unterholz festzusetzen. Manchmal gelingt es der Aalrutte aber trotzdem; dann heißt es geduldig sein, abwarten und hoffen. Tut sich jedoch nach einigen Minuten immer noch nichts, geht man wieder auf Spannung und klopft unaufhörlich mit der Faust gegen den Rutenblank. Mit diesem Trick habe ich die eine oder andere Rutte schon so lange genervt, bis sie klein beigegeben hat. Grundeln als Köder. Die Köderwahl hat sich bei mir lange Jahre auf den Tauwurm beschränkt. Ich konnte darauf immer mehr Fische landen als auf Köderfisch oder Spezialitäten wie Hühnerleber, Blutegel und Fischrogen. In den letzten Saisonen musste ich mich jedoch umstellen, da mittlerweile kein Wurm mehr sicher ist vor den lästigen Kessler- und Schwarzmeergrundeln. Die Aktivität der Quälgeister nimmt zwar mit sinkenden Wassertemperaturen ab, reicht aber dennoch aus, um einen verrückt zu machen. Also habe ich mich entschlossen, Gleiches mit Gleichem zu vergelten und verwende mittlerweile am liebsten die Grundeln selbst als Köderfisch. Der Länge nach halbiert oder ohne Kopf verbreiten sie unter Wasser einen unwiderstehlichen Duft. Für ganz spezielle Tage habe ich dann noch einen Joker in meiner Tasche – in Form eines kleinen Zerstäubers, gefüllt mit Fischsauce aus dem Asia-Laden. Dieser Duft macht sogar müde Aalrutten munter und kann so der Fischbringer sein. Manche Angler schwören auch auf fette Meeresfische wie Makrele und Hering. Wie schon erwähnt ist die Aalrutte vor allem in unseren Flüssen ein ausgesprochener Winterfisch. Wenn im Sommer Aalrutten gefangen werden, dann geschieht das fast ausschließlich bei Hochwasser und extremer Wassertrübung, wie sie auch kurz nach Gewittern vorkommen kann. Wer sie jedoch gezielt beangeln möchte, der sollte die Rutte in den ersten kalten Nächten ab Oktober suchen. Trübes Wasser ist auch im Winter ein gutes Omen. Die besten Chancen hat man in Bereichen mit hartem Grund, vielen Hindernissen und Versteckmöglichkeiten unter Wasser. Steinschüttungen, versunkenes Totholz und Unterwasserberge sind perfektes Terrain. Außerdem findet man sie unterhalb von Wehren, Kraftwerken und anderen Barrieren, an Flussmündungen und an Plätzen mit Kehrströmungen. Das können auch kleine, unscheinbare Buchten sein, Hauptsache ist, die Eintönigkeit des Hauptstromes ist unterbrochen, und es sammelt sich Futter.
Beißphasen.
Hat man sich für einen Angelplatz entschieden, sollte man sein Gerät ein bis zwei Stunden vor der Dämmerung aufbauen. Oft kommen die ersten Bisse dann mit Einbruch der Dunkelheit. Interessanterweise wird immer wieder davon berichtet, dass die Aalrutten schubweise beißen. Oft tut sich ein paar Stunden nichts, und dann geht das Spiel wieder von vorne los. Die Beißphasen sind von Revier zu Revier verschieden und können sich über die ganze Nacht ziehen. In Österreich haben wir das Glück, viele Gewässer zur Verfügung zu haben, in denen sich ordentliche Aalruttenbestände finden. Da ist natürlich die Donau mit all ihren Altarmen, Kanälen und Nebenflüssen zu nennen. Wer hier sein Revier hat, kann sowohl mit guten Stückzahlen als auch mit kapitalen Fischen rechnen. Besonders der Bereich östlich von Wien ergab bei Untersuchungen eine bemerkenswert hohe Ruttendichte (15 Fische pro 100 Meter Blockwurf). Ist ein Kraftwerk in der Nähe, wo sich die Fische sammeln, kann man wahre Sternstunden erleben. Ebenfalls einen Versuch wert sind Traun, Enns, Salzach, Möll und Drau. Auch hier hört man immer wieder von guten Fängen. Nicht zuletzt sind aber auch die zahlreichen österreichischen Gebirgsseen mit gutem Bestand zu erwähnen: Attersee, Grundlsee, Toplitzsee, Traunsee, Hallstättersee, Wolfgangsee, Fuschlsee, Walchensee oder Schwarzensee. Hier jedoch gelten andere Gesetze als an unseren Flüssen. Es gibt andere Methoden, wie etwa das Pilkern mit Drillingen, die mit Fischfetzen bestückt werden (bei unseren Schweizer Nachbarn sehr beliebt). Will man an einem der besagten Seen sein Glück versuchen, sollte man auf jeden Fall Kontakt zu ortskundigen Anglern aufnehmen und sich beraten lassen. Auskunft können auch Taucher geben, die über die Standplätze und bevorzugten Tiefen der Aalrutten Bescheid wissen. Es spielt keine Rolle, wo und wie man Aalrutten fängt. Faktum ist aber, dass es sich um eine schützenswerte Kreatur handelt. Wir entscheiden, ob auch die nachfolgenden Generationen von Anglern das Privileg genießen werden, diesen mystischen Bewohner unserer Gewässer fangen zu dürfen. Abhängig ist dies aber nicht nur von den richtigen Maßnahmen und Gesetzen zum Schutz der Aalrutte – jeder einzelne von uns kann dazu beitragen, indem er verantwortungsvoll mit seinem Fang umgeht. Es gilt das Motto: „Catch & Select“.
2011/11, Fisch & Wasser
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