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Spinnfischen mit Lockstoffen? Das macht durchaus Sinn, erklärt Andreas Zachbauer. Dabei sind die sündteuren Flakons aus dem Fachhandel gar nicht nötig. Den fischigen Würzmitteln aus dem Asia-Shop können die Räuber nämlich auch kaum widerstehen.
Es ist, als würde man durch eine Parfümerie schlendern. Kleine Flakons mit geheimen Duftrezepturen reihen sich in unzähligen Varianten aneinander. Davor stehen jedoch nicht Damen von Welt, mit kleinen Papierstreifen jeden Duft einzeln prüfend, sondern gestandene Mannsbilder in Tarnkleidung. Muttertagseinkäufe, Hochzeitstag? Nein. Lediglich die Preise könnten einen glauben machen, tatsächlich bei Douglas oder Marionnaud vor dem Regal zu stehen – läge da nicht diese penetrante Geruchsmischung aus Reiheröl, Knoblauch, Anis, Leber, Muschel und Scopex in der Luft. Wer jetzt immer noch nicht weiß, worum es geht, kann jedes beliebige Angelmagazin aufschlagen: Lockstoffe oder Flavours sind in aller Nasen und spielen bei der modernen Ansitzangelei auf Karpfen & Co eine immer größere Rolle.
Kunstköder mit Duft.
Was allerdings geht das mich an, wo ich doch fast ausschließlich mit der Spinnrute unterwegs bin? Warum sollte ich überhaupt einen Lockstoff verwenden? Der Grund ist beim Kunstköderangeln ein anderer als beim Fischen mit Naturköder (wo es darum geht, den Fisch durch die zusätzliche olfaktorische Attraktion noch schneller anzulocken). Aber: Ein Fisch spuckt ungern wieder aus, was ihm schmeckt – auch einen Kunstköder. Viele amerikanische Schwarzbarschköder sind genau aus diesem Grund schon ab Werk mit Geschmackssalzen versehen. Der Ordnung halber sei gesagt, dass sich duftende Kunstköder nicht für jede Art der Angelei eignen: Jerkbaits oder der klassische Blinker auf Hecht machen es schwierig, den Lockstoff zu applizieren, darüber hinaus setzt diese Art der Spinnangelei vor allem auf optische Reize, um den Raubfisch aus der Reserve zu locken. Ganz anders allerdings verhält es sich bei modernen Methoden wie den Finesse Rigs (zum Beispiel Drop-Shot) oder aber auch bei der Angelei mit dem Gummifisch. Gerade Zander und Barsche neigen dazu, einen Kunstköder genau so schnell wieder auszuspucken, wie sie ihn eingesaugt haben. Kommt jedoch ein Geschmacksreiz dazu, kann man oft entscheidende Momente gewinnen, in denen ein erfolgreicher Anhieb möglich ist. Die Fehlbissrate kann damit also drastisch reduziert werden.
Maggi & Soja.
Ich habe in den letzten Jahren auf dem Gebiet der Raubfisch- Lockstoffe viel experimentiert – sowie Einiges in diese Wissenschaft investiert – und bin zu dem Schluss gekommen, dass es gar nicht notwendig ist, hochpreisige Chemiekeulen zu verwenden. Nur ein paar Zerstäuberfläschchen sind übrig geblieben von meinen teuren Flavours; den Inhalt habe ich längst durch günstigere Alternativen ersetzt, die sich ohnedies in fast jedem Haushalt finden: Thunfische und Sardellen, eingelegt in Öl – schon lange gieße ich Letzteres nicht mehr in den Abfluss. Auch Maggi und Sojasauce sind zu Höherem berufen als zum bloßen Würzen. Und schließlich lassen selbst scheinbar banale Aromen wie Salz und frischer Knoblauch einen Raubfisch nicht kalt. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, jedes Gewässer hat seine und jede Fischart ihre Eigenheiten.
Zu meinen absoluten Favoriten aber zählen die feinen Fischsaucen, die in jedem Asia-Shop als Literware zu haben sind. Es gibt zahllose verschiedene Marken und Varianten. Letztendlich bestehen die meisten aus Wasser, Salz und Sardellenextrakt – keine Emulgatoren, keine Chemie und nebstbei auch für den menschlichen Verzehr geeignet. Für mich gilt: Je höher der Gehalt an Sardellenextrakt, desto besser die Geruchsentfaltung unter Wasser. Am besten hält der Lockstoff auf gebrauchten Gummiködern, die schon die eine oder andere Blessur von Hecht-, Zander oder Barschzähnen aufweisen. Bei neuen Ködern kann man diese Schnitte und Stiche natürlich auch mit dem Messer anbringen oder mit etwas Schleifpapier exakt den Effekt von Barschbissen erzielen. Hauptsache, man vergrößert die Oberfläche des Köders und sorgt so dafür, dass dieser mehr Lockstoff aufnehmen und wieder abgeben kann. Zum Aufbringen des Aromas bieten sich verschiedene Möglichkeiten an. Einerseits kann man den Flavour direkt vor und während des Angelns auf den Köder sprühen. Das sollte allerdings alle paar Würfe wiederholt werden, weil sich der Geruch schnell wieder vom Köder löst. Andererseits hat sich die Variante, die ohnehin meist in kleinen, handlichen Plastiktüten verpackten Gummiköder regelrecht zu marinieren, als besonders zielführend erwiesen. Motto: „Thunfisch raus, Gummifisch rein“. Dazu fülle ich direkt aus der Literflasche zwei bis drei Esslöffel Fischsauce in die Plastiktüte, lege die Gummiköder ein, verschließe sie – und öffne sie erst wieder am Wasser. Der Gummi nimmt den Lockstoff innerhalb von einigen Stunden auf wie ein Schwamm. Beim Angeln wird dieser durch das Wasser sukzessive wieder ausgewaschen – je wärmer das Wasser, desto schneller vollzieht sich natürlich auch die Lockstoffabgabe. Übrigens: Gummifische sollte man nie samt Haken einlegen, denn das reichlich vorhandene Salz in der Sauce lässt auch Qualitätsware recht schnell rosten. Außerdem verlieren helle und vor allem natürlich weiße Gummiköder ihre Originalfarbe, sie werden je nach Material und Ausgangsfarbe mehr oder weniger bräunlich getönt und matt, was mich persönlich allerdings nicht besonders stört.
Und wie bekommt man nun ein Gefühl dafür, wann es wieder Zeit ist für einen Flavour-Kick aus der Wunderflasche? Ganz einfach: Immer der Nase nach. Wenn ich selbst am Köder schnuppere und nichts mehr rieche, kommt der nächste duftende Sprühregen aus dem Asia-Shop.
2010/07, Fisch & Wasser
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Eine Antwort auf Eau de Sardelle (2010/07, Fisch & Wasser)