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Auf Schleichfahrt zu den großen Freiwasserhechten bzw. Schleppangeln auf Hecht (2014/08, Fangfrisch)

  • date
  • 28. Juli 2014

Man bekommt sie oft ihr Leben lang nicht zu Gesicht: die gewaltigen Hechte im Freiwasser unserer Seen. Mit tauglicher Ausrüstung, viel Geduld und Muskelkraft beim Rudern und ungewöhnlich großen Ködern lassen sie sich aber sehr wohl überlisten. Andreas Zachbauer beschreibt das Schleppangeln auf Hecht über den dunklen Tiefen heimischer Großgewässer.

Seit Menschengedenken gelten die tiefen und geheimnisvollen Seen der Alpen als das Reich sagenumwobener Geschöpfe von schier unglaublicher Größe. In der Lage, Hunde oder sogar ganze Kinder zu verschlingen, hausen sie unter den Wogen und machen oft nur durch zerrissene Fischernetze und verstümmelte Artgenossen auf sich aufmerksam. Oft hört man auch Geschichten von verzweifelten Anglern, die eines dieser Untiere an die Angel bekommen hatten und nur dabei zusehen konnten, wie ihr Gerät in tausend kleine Stücke zerlegt wurde. Die wenigsten von uns bekommen sie je hautnah zu Gesicht – genau das ist der Grund, warum ich hier und heute an diesem See stehe…

Es ist vier Uhr morgens, hell genug, um etwas sehen zu können, die Sonne hat es aber noch nicht über den Gebirgskamm geschafft. Die Sicht auf das andere Ufer ist von Nebelschwaden verhangen, die knapp über dem Wasser schweben. Kein Hauch bewegt die Luft. Es ist totenstill. Leise, konzentriert und erwartungsvoll belade ich mein Boot, löse die Taue von der alten, morschen Steganlage und rudere langsam hinaus ins Nichts. Im tiefen Wasser angekommen, beködere ich meine Ruten beim Schleppangeln auf Hecht mit ellenlangen Imitationen von Reinanken und Forellen. Und ich rudere und rudere. Stundenlang höre ich nichts als das leise Gurgeln der Luftblasen im Wasser. Wie in Trance gehen meine Gedanken nur von einem Ruderschlag zum nächsten, bis ich vom lauten Kreischen der Rolle zurückgeholt werde ins Hier und Jetzt. Wie ferngesteuert greift meine rechte Hand nach der auf´s Äußerste gebogenen Rute und befreit sie aus dem Rutenhalter. Den Anschlag kann ich mir sparen, denn der Schub meines Bootes hat die Haken bereits sicher in das zähnestarrende Maul meines Kontrahenten eindringen lassen. Unbehelligt vom Widerstand der Bremse pumpt der Fisch Schnur von meiner Rolle und sucht die Tiefe. Ich lasse nicht locker. Im Wissen, die Tage zuvor all mein Gerät wieder und wieder überprüft zu haben, erhöhe ich den Druck und gebe nach und nach den Takt vor in unserem Tanz. Als er noch zirka dreißig Meter vom Boot entfernt ist, sehe ich ihn zu ersten Mal. Er durchbricht die Wasseroberfläche und versucht durch wütendes Kopfschütteln, die Haken loszuwerden – vergebens. Schon kurze Zeit später gleitet sein majestätischer Körper über die Maschen meines Keschers. Ein befreiender Urschrei durchbricht die heilige Ruhe am See, denn schließlich musste ich viele Rückschläge in Kauf nehmen, um endlich meinen ersten kapitalen Freiwasserhecht ins Boot hieven zu können.

Erlebnisse wie dieses sind es, die mich jedes Jahr aufs neue zu Saisonbeginn an die Alpenseen rufen, und es gibt wohl kaum eine effizientere Methode auf Freiwasserräuber als das Schleppangeln auf Hecht. Im Grunde genommen ist sie eine Mischform aus Spinn- und Ansitzangeln. Man legt den künstlichen oder auch natürlichen Köder am System aus, zieht ihn hinter dem Boot her und wartet auf den Biss. Obwohl von vielen aufgrund des vermeintlichen Aufwands gemieden, ist weder mit großen Ausgaben in Bezug auf Ausrüstung und Köder, noch mit komplizierten, ausgefeilten Montagen zu rechnen. Ich denke, eine der größten Hürden für Angler ist die Selbstüberwindung und der mangelnde Glaube, auf einer riesigen Fläche über hundert Meter tiefem Wasser einen Fisch überlisten zu können. Manch anderer mag sich vielleicht von der Ruderei abschrecken lassen, obwohl an einigen Seen mittlerweile schon Elektomotoren erlaubt sind. Wie funktioniert also das Schleppangeln auf Hecht im Freiwasser? Was braucht man dazu und worauf muss man achten?

Abendstimmung am Attersee beim Schleppangeln auf Hecht

Das Boot.
Grundsätzlich ist jedes Boot geeignet, das sich mit vertretbarem Aufwand durch menschliche Kraft oder einen leichten E-Motor mit mindestens vier Kilometern pro Stunde durch das Wasser bewegen lässt. Ob Aluminium, Holz oder glasfaserverstärkter Kunststoff (GFK) – je stromlinienförmiger der Rumpf, desto besser gleitet das Boot und behält die Richtung bei. Ich persönlich besitze eine handgefertigte Holzzille mit fünf Metern Länge. Wenn gerudert werden muss, sollte man darauf achten, dass die Ruderblätter hinreichend Oberfläche haben, um tüchtig Wasser verdrängen Foto: Andreas Zachbauer Angeln & Fitness Das Rudern sollte nicht zu viel Kraft kosten, die kann man später noch gut brauchen.

Andreas Zachbauer beim Schleppangeln auf Hecht

Rutenhalter.
Großes Vertrauen muss man in die Rutenhalter haben, schließlich halten nur sie unsere wertvollen Angeln davon ab, im Ernstfall unwiederbringlich im Wasser zu verschwinden. Mit ebenso großer Sorgfalt sollten Auswahl und Montage derselben erfolgen. Fix am Boot befestigte Modelle in Röhrenform mit variablen Richtungs- und Neigungsmöglichkeiten sind optimal, bei Leihbooten aber nicht montierbar. Gute Rutenhalter sind nicht eben günstig, aber eine Anschaffung fürs Leben. Wichtig ist auch ein leichtes Auslösen der Rute, wenn am anderen Ende schon der Fisch kämpft. Rute & Rolle. Da man das Gerät eigentlich nur zum Auslegen und Drillen in der Hand hält, ist das Gewicht beim Schleppangeln auf Hecht (im Gegensatz zum Spinnangeln) vernachlässigbar. Die Ruten sollten eine Länge von zweieinhalb bis drei Meter aufweisen und eine steife Spitze haben. Im Drill sollte sich eine kontrolliert parabolische Aktion entwickeln, um Aussteiger zu vermeiden. Als Rollen eignen sich große Modelle aus der Spinnangelei ebenso wie Freilaufrollen. Wichtig ist eine fein justierbare, zuverlässige Bremse und dass zumindest 250 Meter der verwendeten Schnur Platz finden.

85er beim Schleppangeln auf Hecht

Schnur, Vorfach, Kleinteile.
Ich bevorzuge als Hauptschnur aufgrund der niedrigen Dehnung ganz klar geflochtene Schnüre der Stärke 0,25 bis 0,30 Millimeter in unauffälligen Farben. Als Vorfach verwende ich Hardmono in den Stärken 0,60 bis 0,80 Millimeter und einer Länge von zwei bis zweieinhalb Metern. Die Verbindung von Hauptschnur und Vorfach besteht aus einem hochwertigen Wirbel mit mindestens 40 Kilogramm Tragkraft. Der Köder wird in einen ebenso starken Karabiner (z.B. Duo Lock) eingeklinkt.

Schlepplänge.
Die Schlepplänge ist ein viel diskutiertes Thema, denn von ihr hängt einerseits die Schlepptiefe ab, andererseits auch die Scheuchwirkung des Bootes. Skurrilerweise wird in manchen Gewässern ganz knapp hinter dem Boot geschleppt, da die Fische vom Motorgeräusch angezogen werden. Normalerweise schleppe ich aber all meine Köder 30 bis 50 Meter hinter dem Boot. Die geflochtene Schnur markiere ich mit einem handelsüblichen Lackstift. Anders verhält es sich bei der Verwendung von Sideplanern (Scherbrettern). Sideplaner werden in die Schnur geklinkt und bewirken, dass der Köder nicht direkt hinter, sondern einige Meter neben dem Boot läuft. So lassen sich auf einem Boot bis zu sechs Ruten und mehr gleichzeitig schleppen. Ich lasse je nach gewünschter Lauftiefe rund 15 bis 30 Meter Schnur von der Rolle, klinke dann den Sideplaner ein und lasse erneut einige Meter Schnur herunter, bis die Montage mindestens fünf Meter neben dem Boot läuft. Bei einem Biss löst sich der Clip am Sideplaner und man kann den Fisch drillen.

Grandma-Wobbler fürs Schleppangeln auf Hecht

Schlepptiefe.
Es gibt eine Faustregel, die besagt, dass morgens und abends sowie bei Wellengang eher flach geschleppt werden kann, untertags und bei Windstille hingegen eher tief. Diese Regel berücksichtigt jedoch nur den Faktor Sonneneinstrahlung. Natürlich möchte sich ein Raubfisch nicht permanent von der Sonne blenden lassen, sich umzudrehen ist aber einfacher als den Standplatz um 10 Meter tiefer zu legen. Viel mehr ist die Schlepptiefe abhängig von der Tiefe, in der sich Reinanken und Laubenschwärme befinden. Ortsansässige Fischer haben hier oft die wertvollsten Tipps. Ansonsten muss man sich die Fische suchen und jede Rute in einer anderen Tiefe anbieten beim Schleppangeln auf Hecht. Einerseits geht das natürlich durch die Verwendung verschiedener Köder, ein wirksames Hilfsmittel ist aber auch das Schleppblei. Ich besitze die torpedoförmigen Bleie in Gewichten von 30 bis 150 Gramm und klinke sie je nach Bedarf vor mein langes Hardmono- Vorfach. Somit kann ich Tiefen von zirka 20 Metern erreichen. Vorsicht aber beim Sideplaner, zu schwere Bleie ziehen ihn unter Wasser. Ein letzter Rat zur Schlepptiefe: Im Zweifelsfall immer flacher als tiefer schleppen. Hechtaugen sitzen oben am Kopf, die Tiere legen bei einem Angriff bis zu sieben Meter in der Sekunde zurück. Da spielen ein paar Meter auf oder ab keine große Rolle, solange sich der Köder im Blickfeld des Fisches befindet.

Schleppgeschwindigkeit.
Wenn man sich keines GPS-Gerätes bedienen kann, ist es auf dem Wasser fast unmöglich, die genaue Geschwindigkeit zu eruieren. Strömungen und Winde führen auch beim Schleppen mit dem Elektromotor zu großen Schwankungen. Die wichtigste Anzeige ist für mich die Rute. Wenn der Köder gut läuft, so sehe ich das anhand der rhythmischen Bewegungen in der Rutenspitze. Generell bewegt sich mein Schlepptempo beim Schleppangeln auf Hecht jedoch immer irgendwo zwischen zweieinhalb und vier Kilometern pro Stunde. Solange der Köder richtig läuft, bevorzuge ich das langsame Schleppen, weil der Raubfisch so mehr Zeit hat, einen meiner Köder zu entdecken. Will ich ein neues Gewässer erkunden, schleppe ich schneller, einfach um mehr Strecke zu machen.

Drillfoto-3

Schleppstrategie.
Idealerweise sollte man beim Schleppangeln auf Hecht mit der maximalen Anzahl an erlaubten Ruten schleppen. Besonders wenn man alleine ist, wird mit dem Auslegen erst über tiefem Wasser begonnen, um Grundkontakt zu vermeiden. Schleppe ich mit drei Ruten, habe ich links und rechts einen Sideplaner in der Schnur. Die mittlere Rute schleppe ich etwas kürzer hinter dem Boot und bestücke sie mit dem Köder, der am tiefsten läuft. Je nach Laune kreuze ich dann entweder im Zick- Zack-Muster über den See, schleppe Uferkanten ab oder halte mich einfach nur im Freiwasser auf und fahre lang gezogene Kurven. Das Absinken und die Beschleunigung der Köder bei der Kurvenfahrt haben schon so manchen Großhecht zum Anbiss verleitet.

Fangzeiten.
Ich führe schon seit vielen Jahren Buch über all meine Fänge beim Schlepp-, Spinn- und auch Ansitzangeln und musste feststellen, dass es kaum eine Angelmethode gibt, bei der die Fangzeiten so über den Tag verteilt sind wie beim Schleppangeln auf Hecht. Ich vermute, dass man den Hecht in den meisten Fällen nur finden muss und er die seltene Gelegenheit auf einfache, vom schützenden Schwarm getrennte Beute wahrnehmen wird – egal zu welcher Tageszeit. Natürlich gibt es aber auch beim Schleppangeln Tage, an denen nicht ein Fisch sein Maul öffnet, egal, wie oft man seine Lieblingsköder an ihm vorbeigeschleppt hat. Zum Abschluss bleibt mir nur noch der wohlmeinende Rat, den nächsten Sommerurlaub vielleicht einmal an einem österreichischen See zu verbringen, um den einen oder anderen Freiwasserhecht abzuschleppen. Viele der allerschönsten Momente meiner Anglerlaufbahn habe ich dieser Methode zu verdanken – und so ganz nebenbei ist die anstrengende Ruderei ein hervorragendes und erfreuliches Muskeltraining mit etwaigem Beifang.

2014/08, Fangfrisch

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